Das Stück

Faust, Margarete und Mephisto: Johann Wolfgang von Goethe machte dieses Trio vor 200 Jahren in seiner Tragödie „Faust“ unsterblich. Die Geschichte vom Menschen, der verzweifelt nach Erfüllung strebt und in seiner Not einen Pakt mit dem Bösen eingeht, hat nichts von seiner Faszination eingebüsst.

Wussten Sie aber, dass die weltberühmte Tragödie zum Teil in Burgdorf spielt? „Nach Burgdorf kommt herauf, gewiss dort findet ihr die schönsten Mädchen, das beste Bier, und Händel von der ersten Sorte“, lässt Goethe in der Szene „Vor dem Tor“ einen unternehmungslustigen Handwerksburschen rufen. Welches Burgdorf ist da wohl gemeint? Burgdorf bei Hannover oder Burgdorf im Emmental? Natürlich Letzteres! In eine Stadt „heraufkommen“ kann man nur, wo es steil ist. Bei Hannover ist das Land topfeben. Bleibt also – das Emmental.

Diese Erkenntnis fiel bei der Szenerie Burgdorf auf fruchtbaren Boden. Hausautor Hans Herrmann hat den Stoff umgeschrieben und dabei Fausts kleineren Bruder „Fäustchen“ aus der Taufe gehoben. Fäustchen ringt nicht wie Goethes Faust um Erkenntnis und Allwissen, er möchte schlicht und einfach die Liebe einer Frau gewinnen. Margarete ist keine unschuldige, blütenreine und wohlbehütete Bürgerstocher, sondern eine moderne, selbstbewusste und aufgeklärte Fakultätssekretärin, und der Teufel zeigt sich weder in der Gestalt eines Pudels noch eines fahrenden Studenten, sondern als schriller, dämonischer Clown namens Harlekino. Seinem klassischen Vorbild Mephisto steht er an geschliffener Redegewandtheit und listiger Verführungskunst allerdings in nichts nach.

Im Bühnenstück „Fäustchen“ ist unter anderem auch zu erfahren, wer in Wirklichkeit das Frankreich des Sonnenkönigs regierte, wer sich so alles im Pantheon der grossen Frauen tummelt und warum aus dem leidenden jungen Werther ein grosser Dichter wurde.

Das Stück will in erster Linie launige Unterhaltung mit vielen Querbezügen zu Goethe bieten, schlägt aber auch Töne an, die zum Nachdenken anregen.

 

Das Bühnenbild: Perfekt bis ins Detail

Hinter einem Torbogen aus grob behauenen Steinquadern gähnt eine Dunkelkammer, aus der Nebel quillt. Dieser spezielle Bühnenzugang eignet sich für Auftritte der dramatischen Art besonders. Zur Szenenausstattung gehört weiter ein hölzerner Korpus, der sich auf mannigfaltige Weise bespielen lässt, sowie eine Wand, auf die wechselnde Bilder projiziert werden. Und ein Vorhang, der sich wie ein Rolltor vertikal bewegt.

Diese Bausteine bilden das Bühnenbild für die Aufführung von „Fäustchen“. Sie sind sowohl ästhetisch wie funktionell sorgfältig aufeinander abgestimmt. Und fügen sich harmonisch ins Gesamtbild des spätmittelalterlichen Siechenhauses, in dem das Schauspiel zur Aufführung kommt. Die Fäden des Bühnenbaus laufen bei Erich Affolter zusammen, der sich bereits bei früheren Produktionen der Szenerie Burgdorf als Chef Bühnenbau und Technik trefflich bewährte.

Die Werkstatt des Bühnenbildners befindet sich in einem alten Gewerbebau am Bahnhof Oberburg. Der Raum ist mit gutem Werkzeug sowie Maschinen zur Holz- und Metallbearbeitung ausgestattet. Hier setzt Erich Affolter um, was er in den Wochen und Monaten zuvor zu Hause am Computer entwickelt und visualisiert hat. Eberhard Binder steht ihm handwerklich zur Seite. Die beiden bilden auch während den Aufführungen ein gut eingespieltes Team: Sie bedienen das Licht, sorgen für die richtigen Geräusche im richtigen Moment und lassen wie von Zauberhand Nebel wallen und Bilder an der Wand erscheinen.

Erich Affolter ist ein Perfektionist. Er weiss, dass ein Bühnenbild nur funktioniert, wenn es bis ins letzte Detail ausgefeilt ist. Und er weiss, dass es fatal sein kann, den Metern Beachtung zu schenken, bei den Zentimetern aber den Fünfer gerade sein zu lassen. Nicht nur, dass sich ungenau gezimmerte Elemente auf der Bühne nicht zum grossen Ganzen fügen würden – schlimmer noch: Sie kämen unter Umständen gar nie von der Werkstatt an ihren Bestimmungsort. „Ich muss auch an den Transport denken. Mache ich zum Beispiel den Korpus zehn Zentimeter zu gross, kriege ich ihn nicht in den Aufzug“, erklärt er.

Klar, dass sich auch der Torbogen kaum transportieren liesse, wären die Steine wirklich aus Stein. Ein findiger Bühnenbauer löst allerdings auch dieses Problem: Fäustchens Zaubertor ist aus Styropor gemauert, was man sogar aus grösster Nähe kaum merkt. Die wahre Natur des dunklen Sandsteins offenbart sich erst, wenn man mit den Fingerspitzen darüberstreicht.

Für manches benötigt das Team Affolter/Binder zusätzliche Hilfe. Die aufwendigen Näharbeiten für den Rollvorhang wurden von Erichs Frau Marlis Fuhrimann ausgeführt, Unterstützung gab es auch von der Schreinerei Stalder in Rinderbach, der Oberburger Malerei Jakob und dem professionellen Bühnenbauer Dominik Lehmann Flury. So entstand, im Zusammenspiel mit Regisseur Patrick Sommer und Requisiteurin Cornelia Leuenberger, Schritt für Schritt die Kulisse, vor der sich im Burgdorfer Siechenhaus nun das Geschehen rund um den hochgelehrten Doktor Fäustchen abspielt.